DOKU.ARTS
Zeughauskino Berlin
09.09.–27.09.2015

The Chinese Mayor

Das nordchinesische Datong ist im Westen allenfalls als Kohlen-Moloch bekannt, war jedoch bis in die Ming-Zeit eine der historisch wichtigsten Städte Chinas, bevor ihm das rund 300 Kilometer entfernte Beijing den Rang ablief. Dass ein UNESCO-Experte die Stadt flapsig als „hässlichste Stadt der Erde“ bezeichnete, ließ dem ambitionierten Bürgermeister Geng Yanbo keine Ruhe. So startete er 2008 ein milliardenschweres Umbauprojekt, das die trostlose Bergbaustadt in ein Reiseziel für geschichtsbewusste Kulturtouristen verwandeln sollte. 500.000 Menschen – rund ein Drittel der Bevölkerung – mussten dem pseudo-historischen Aufbau einer Altstadt im Ming-Stil weichen.

Der Filmemacher Zhou Hao gewann die Erlaubnis des machtbewussten Bürgermeisters, ihn bei der Umsetzung des megalomanen Projektes zu begleiten. Doch Zhou bedient nicht einfach das Bestreben des Politikers, sich als dynamischer Macher zu inszenieren. Vielmehr gelingt dem Regisseur ein bildmächtiger Film von emotionaler Wucht, der packenden Einblick in den Alltag und die Seele des Riesenreiches mit seinen moralischen Dilemmas und gärenden Konflikten zwischen Staatsmacht und Bürgern gibt.

In einem eindringlichen Rhythmus aus Supertotalen der historisierenden Kulissenarchitektur, verstörenden Bilder von Abriss und Vertreibung und intimen Momenten des rastlosen Visionärs Geng bricht Zhou das Riesenprojekt auf einen menschlichen Maßstab herunter. Stadtplanung erweist sich hier als der Stresstest einer von den Bürgern eingeforderten Rechtsstaatlichkeit.

Zhou Hao

Zhou Hao wurde 1968 in China geboren und arbeitete unter anderem als Fotograf für die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua sowie die Wochenzeitung Southern Weekend. Seit 2001 dreht er Dokumentarfilme, darunter Houjie Township (2003), Senior Year (2005), Using (2007), The Transition Period (2009), Cotton (2010), die mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet wurden. The Chinese Mayor feierte auf dem Sundance Film Festival 2015 Premiere, wo er mit dem Spezialpreis der Jury für „Unparalleled Access“ ausgezeichnet wurde.